Anlässlich der Veranstaltung #MicrosoftEDU hat Microsoft neue Hardware sowie eine spezielle Variante von Windows 10 vorgestellt, welche sich klar gegen ChromeOS richtet. Das neue Windows ist wegen geringer Lizenzgebühren gezielt ein Angebot für Rechner im unteren Preissegment, könnte daher schon bald auf vielen Einsteiger-Rechnern zu finden sein. Damit man keine böse Überraschung erlebt, hier ein paar Fakten zu Windows 10 S.
Bisherige Erfahrungen mit limitierten Windows-Editionen
Mit limitierten Windows-Editionen haben wir schon unsere Erfahrungen gemacht. Ob ein Windows XP Starter Edition, Windows Vista Basic oder Windows 7 Starter: Alle Editionen waren im Kern ein vollwertiges System in ihrer Baureihe, wurden aber an verschiedenen Stellen künstlich limitiert. Neben kosmetischen Dingen wie einer abgespeckten Oberfläche ohne Windows Aero (Vista Basic), gab es auch technische Limitierungen: So konnten die Starter-Editionen von Windows Vista nur maximal 3 Programme gleichzeitig ausführen und waren auch nur auf 32-Bit verfügbar. Ergänzend war der maximale Speicher bei der Starter-Edition von Windows 7 auf 2 GB limitiert oder das System nicht in der Lage, den Desktop auf einem zweiten Monitor erweitert darzustellen.
Der Grund war jeweils, dass man diese Lizenzen ganz bewusst in den Schwellenländern verkaufen wollte und hier der Preis für eine Windows-Lizenz den Anschaffungspreis in die Höhe getrieben hätte. Mit den billigen Editionen wollte man aber nicht den zahlungskräftigen Markt fluten, daher die Limitierungen. Dennoch wurden solche Systeme als Billigst-Rechner oder auf Netbooks auch vorinstalliert verkauft.
Windows 10 S ist anders- ein wenig wie Windows RT
Gründe für eine Einführung von Windows 10 S sind vor allem die Schulrechner dieser Welt. Während deutsche Schüler mit alten Windows-XP-Systemen noch in der IT-Steinzeit verblieben sind, arbeiten in anderen Ländern, vor allem in den USA, viele Schulen mit ChromeOS auf einfachen Notebooks. Hier sieht Microsoft Potenzial und will OEMS die Möglichkeit geben, auch einfache Systeme mit Windows 10 auszurüsten.
https://www.youtube.com/watch?v=dFAMyKydhMI&feature=youtu.be
Die neue Edition Windows 10 S soll nach Aussage von Microsoft bereits Rechner für einen Preis von unter 200 US Dollar ermöglichen. Viel Geld für eine Windows-Lizenz bleibt da nicht übrig. Im Grunde ist das daher eine noble Geste von Microsoft, wenn auch nicht ganz uneigennützig: Denn wenn erst einmal Windows auf einem Rechner ist, kommen eventuell auch noch ein Abo von Microsoft Office 365 oder die Nutzung und dauerhafte Bindung an Cloudspeicher wie OneDrive hinzu.
Programme nur aus dem Windows Store
Im Kern ist auch Windows 10 S ein vollwertiges Windows 10 und auf den ersten Blick nicht von einem Windows 10 Home oder Pro zu unterscheiden. Die Limitierungen sitzen diesmal tiefer und zeigen sich, wenn man ein Programm „normal“ über einen Installer installieren möchte. Windows 10 S erlaubt keine Ausführung normaler Dateien und quittiert dies mit einer Fehlermeldung: „In diesem Windows-Modus werden aus Sicherheits- und Leistungsgründen nur überprüfte Apps aus dem Store ausgeführt."
Damit ist auch schon alles gesagt: Was sich nicht im Windows Store zum Download findet, kann auf einem Windows 10 S auch nicht ausgeführt werden. Der Schritt ist drastisch und verwehrt jede Ausführung von Programmen, die nicht über den Windows Store heruntergeladen werden.
Das Ganze erinnert an die Limitierung der ersten Windows Surface RT mit einer ARM-Architektur und Windows RT als Plattform. Auch diese Systeme konnten nur Programme aus dem Store ausführen, welche auch die ARM-Plattform unterstützten. Bei dem neuen Windows 10 S ist es aber eine künstliche Limitierung. Diese bewirkt auch, dass systemeigene Werkzeuge wie Regedit oder die Eingabeaufforderung nicht zur Verfügung stehen. Auch beliebte Systemhelfer wie die Nirsoft-Tools oder die Windows Sysinternals bleiben außen vor.
Die Einschränkung hat zur Folge, dass bereits einige Softwarehersteller ihre Software in den Windows Store portieren, um keine Nutzer zu verlieren. Neben Spotify wird auch Apple in Kürze iTunes über den Store anbieten.
Dabei handelt es sich aber zu Anfang noch nicht um Universal Windows Plattform (UWP) Apps, welche auf allen Devices optimal auszuführen sind.
Vielmehr wurden die normalen Desktop-Apps mit dem Project Centennial in den Store portiert. Der Vorteil für Microsoft ist ein Store mit attraktiveren Apps und der Anwender profitiert davon, dass die Apps aus dem Store über Windows zentral aktualisiert werden.
Nachteile für den Anwender
Die Qualität der Programme im Windows Store ist noch immer eine Katastrophe und kann vielen sonst frei verfügbaren Programmen nicht das Wasser reichen. Bisher sind aber viele Entwickler nicht bereit, ihre Programme dort anzubieten, was nicht nur mit Aufwand, sondern auch bestimmten Restriktionen seitens Microsoft verbunden ist. Der Macher von IrfanView spricht in einem Interview auf Dr. Windows über die Store-Version und Gründe für die Portierung auf diesen Vertriebsweg.
Auch Spieler finden in Windows 10 S eine denkbar schlechte Plattform, da der beliebte Vertriebsweg über Steam derzeit noch ausscheidet.
Zudem dürften auch viele Zusatzprogramme von Hardware wie Scanner oder Drucker unter Windows 10 S Probleme machen, da deren Zusatzprogramme nicht über den Store kommen und so nicht ausgeführt werden können, worüber Microsoft im Support auch informiert.
Wer die Einschränkung mal testen möchte, kann dies auch unter Windows 10 Version 1703 alias Creators Update ausprobieren. In den Einstellungen unter Apps & Features kann man festlegen, dass nur Apps aus dem Store ausgeführt werden dürfen.
Mehr Sicherheit?
Wenn nur Apps aus dem Store ausgeführt werden können, erwartet der Anwender auch einen Gewinn an Sicherheit, mit dem Microsoft auch wirbt: „Das neue Windows 10 S - Optimiert für Sicherheit und überragende Leistung.“. In einem Blogbeitrag vom Juni 2017 behauptet Microsoft zudem, dass Windows 10 S den derzeit besten Schutz vor Ransomware-Trojanern bietet. Dass dem aber nicht so ist, zeigte bereits ein erster Test von ZDNET.
Weitere Einschränkungen
Die Limitierungen von Windows 10 S betreffen aber nicht nur das Ausführen von Programmen, die nicht aus dem Store stammen. Der Anwender kann auch den Browser nicht frei wählen und ist an Microsoft Edge gebunden, als Suche ist fest „Bing“ vergeben. Der Beitritt in eine lokale Domäne ist auch nicht vorgesehen, so dass sich das Windows auch in aller Regel nicht für den geschäftlichen Einsatz eignet.
Microsoft hat in seinen FAQ zu Windows 10 S eine Tabelle zusammengestellt, welche die Unterschiede zu anderen Windows-Editionen verdeutlicht:
Freikaufen
Nach ersten Bekundungen von Microsoft soll man für 49 US Dollar von Windows 10 S auf Windows 10 Pro aus dem System heraus upgraden können. Für Käufer eines Surface Laptop mit Windows 10 S gilt ein kostenloses Upgradeangebot bis Ende 2017.
Interesse am Testen? Windows 10 S Download
Windows 10 S ist derzeit nur für MSDN-Abonnenten als ISO-Download verfügbar. Ergänzend bietet Microsoft einen Installer an, welcher ein bestehendes Windows 10 Pro, Education oder Enterprise in ein Windows 10 S umwandelt. Der Rückweg auf das vorherige Windows soll über die Einstellungen -> Update und Sicherheit für 10 Tage wieder möglich sein. Danach muss eine Neuinstallation erfolgen.
Fazit
Wer sich künftig einen neuen, günstigen Rechner kauft, sollte sehr genau schauen, ob das Schnäppchen nicht doch eine Mogelpackung ist und Windows 10 S enthält. Wir können von dieser Edition des Betriebssystems derzeit eigentlich nur abraten, da die Auswahl an Apps aus dem Store den „freien“ Downloadmarkt noch lange nicht ersetzt und die Limitierung auf Apps aus dem Store eine zu große Einschränkung darstellt, als dass man diese wirklich in Kauf nehmen will und sollte.