Pixelgrafik, Synthesizer-Sounds, Highscore-Listen und Joystick-Steuerung: Herzlich willkommen im Retro-Gaming! Während die Jugendlichen von heute einen Großteil ihrer Zeit in fotorealistischen Shootern verschwenden, schwärmen die Jugendlichen von gestern von ihren Spielen auf Computer und Konsole. In dem folgenden Artikel zeigen wir Ihnen, wie leicht Sie dank moderner Emulatoren und Browser-Gaming wieder in die Retro-Welten eintauchen können.
- Für fast alle Retro-Konsolen und alte Computersysteme gibt es passende Emulatoren.
- Fertige Linux-Distributionen wie Batocera können mit wenig Aufwand über einen bootfähigen USB-Stick jeden PC oder auch Minicomputer wie den Raspberry Pi zur Spielekonsole verwanden.
- Archive im Web ermöglichen es, die alten Klassiker auch direkt im Browser zu spielen.
Inhalt
1. Retro-Welle, mehr als nur Nostalgie
In einer Zeit, in der Grafiken immer fotorealistischer werden, Spielwelten grenzenlos erscheinen und Spieler monatelang fesseln, sehnen sich manche, die bereits in den 80er-, 90er- oder 2000er-Jahren gezockt haben, nach der Einfachheit pixeliger Klassiker vergangener Tage. Retro-Gaming ist daher nicht nur reine Nostalgie, sondern auch eine Hommage an die Anfänge des digitalen Spielens.
1.1. Kleine Zeitreise durch das Gaming
Die Wurzeln des Gaming liegen in den 1970er und 1980er Jahren, als die ersten 8-Bit-Konsolen, wie das Atari 2600, das NES und das Sega Master System, auf den Markt kamen. Zu den Kultspielen dieser Zeit zählen Pac-Man, Tetris und der Beginn der Super-Mario-Reihe von Nintendo. Die Spiele waren damals noch pixelig und weniger tiefgründig, sorgten aber für kurzweilige Unterhaltung.

In den 90er Jahren wurden die 16-Bit-Konsolen wie das Sega Mega Drive, das Super Nintendo Entertainment System (SNES) oder die Playstation immer leistungsfähiger, sodass die Spiele aufwendiger und technisch anspruchsvoller wurden.

Auch im Computersektor sorgte spätestens der legendäre Commodore C64, liebevoll auch „Brotkasten“ genannt, für den Hype um Computerspiele. Tausende Klassiker wie „International Karate”, „Turrican”, „Summer Games” und „Winter Games”, „Bubble Bobble” oder die beliebten Point-and-Click-Adventures wie „Maniac Mansion” prägten diese Zeit. Moderne Systeme wie der Atari ST oder der Commodore Amiga verbesserten Grafik und Sound, behielten aber den Spielwitz bei.

Mit der Einführung von VGA-Grafik und dem legendären Sound Blaster für die musikalische Untermalung entwickelte sich in den späten 80er Jahren das PC-Gaming unter MS-DOS, anfangs auf Disketten, später auf CD-ROMs. Die fummeligen Einstellungen in config.sys und autoexec.bat, die für jedes Spiel gesondert angepasst werden mussten, waren mit dem Erscheinen von Windows 95 und seinen Nachfolgern nicht mehr notwendig. So entwickelte sich das Windows-Gaming zu dem, was wir heute noch kennen.
2. Retro-Wiederbelebung
Viele alte Konsolen und Computersysteme mit RF-, später dann Cinch- oder Scart-Anschlüssen können ohne zusätzliche Hardware gar nicht mehr an moderne TV-Systeme angeschlossen werden. MS-DOS als Betriebssystem ist ebenfalls verschwunden. Hier helfen moderne Emulatoren, die die alten Systeme problemlos wieder zum Leben erwecken können. Die alten 8- und 16-Bit-Systeme stellen keine großen Anforderungen an die Hardware und können heute auf jeder „alten Kartoffel“ emuliert werden. Erst für modernere Systeme wie 32-Bit-Konsolen (PS2, Dreamcast, N64, Wii U, PS3) darf es gerne etwas mehr sein.
2.1. Retro-Gaming mit Emulatoren am PC
Der einfachste Weg, eines der alten Systeme wiederzuverwenden, sind die vielfältigen Emulatoren für alle verschiedenen Plattformen. Diese sind im Internet schnell gefunden. Wir haben hier eine kleine Auswahl der aus unserer Sicht besten Emulatoren für Retro-Konsolen, Handhelds und Heimcomputer zusammengestellt.
| Logo | System | Emulator | Webseite | Plattform |
|---|---|---|---|---|
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NES / SNES / Game Boy | Mesen | mesen.ca | Windows, Linux |
| Super Nintendo (SNES) | SNES9x | snes9x.com | Windows, macOS, Linux | |
| Sega Mega Drive / Genesis | Kega Fusion | segaretro.org/Kega_Fusion | Windows, macOS, Linux | |
| Commodore 64 | VICE | vice-emu.sourceforge.io | Windows, macOS, Linux | |
| Commodore Amiga | WinUAE | winuae.net | Windows | |
| Atari ST | Hatari | hatari.tuxfamily.org | Windows, macOS, Linux | |
| MS-DOS / PC | DOSBox-X | dosbox-x.com | Windows, macOS, Linux | |
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Playstation 1 | DuckStation | duckstation.org | Windows, macOS, Linux |
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GameCube / Wii | Dolphin | dolphin-emu.org | Windows, macOS, Linux |
| Playstation 2 | PCSX2 | pcsx2.net | Windows, macOS, Linux | |
| XBox | Xemu | xemu.app | Windows, macOS, Linux |
Die meisten Emulatoren sind Open Source und bieten umfangreiche Konfigurationsmöglichkeiten. Nach dem Herunterladen des Emulators können Sie Spiele und gegebenenfalls BIOS-Files einbinden und dann auf dem PC mit Tastatur, Gamepads über USB oder Bluetooth sowie Retro-Joysticks direkt am PC zocken. Ein kleiner Vorteil ist, dass sich Spiele mit einer höheren Skalierung aufhübschen lassen und Spielstände jederzeit gespeichert werden können. Für DOS-Spiele hat sich DOSBox bewährt. Wie Sie alte MS-DOS-Spiele mit DOSBox wiederbeleben, haben wir in dem gleichnamigen Artikel beschrieben. DOSBox-X ist ein moderner Nachfolger von DOSBox mit noch mehr Möglichkeiten.
2.2. Frontend für eine Vielzahl von Emulatoren
Mit RetroArch und EmulationStation gibt es zwei bekannte, kostenlose und plattformübergreifende Open-Source-Frontends für Emulatoren. Beide fassen hunderte Emulatoren für bekannte und weniger bekannte Spiele- und PC-Systeme wie das Vectrex oder den vergessenen Schneider CPC (Amstrad) unter einer Oberfläche zusammen. Damit bieten sie viel Komfort für Gamer, die gerne mehrere Plattformen nutzen möchten.
EmulationStation selbst wird schon lange nicht mehr gepflegt, so dass sich darauf aufbauend verschiedene Projekte und Forks wie ES-DE (EmulationStation-DE) entwickelt haben.
Eines der Highlights ist auch die Möglichkeit, mit Shadern die Pixelgrafik absichtlich „verwaschen“ aussehen zu lassen (Scanlines) und sogar den Röhren-Effekt alter TV-Geräte zu emulieren.

2.3. BIOS, Images, Abandonware und ROMS
Ein Problem beim Retro-Gaming ist die Verfügbarkeit von Spielen und BIOS-Dateien. Die Spiele werden von den Emulatoren häufig in Form von Abbildern von ROM-Modulen oder als Disc-Images von Disketten oder CD-ROMs benötigt. Wenn Sie die Originalspiele besitzen, können Sie mit Hardware wie dem „Retrode 2” Abbilder von Sega Mega Drive und Super Nintendo Entertainment System selbst erstellen. Die Konverter sind jedoch teuer, nur schwer zu bekommen und häufig auch nur für wenige Plattformen nutzbar.
Legale ROM-Dateien sind nur vereinzelt in alten Spielesammlungen zu finden, sodass ein Streifzug durch die dunkleren Ecken des Internets unumgänglich ist. Suchbegriffe wie „Retro ROM Images” fördern schnell Ergebnisse zutage, die häufig als Abandonware bezeichnet werden. Abandonware bezeichnet Software, meist ältere Spiele oder Programme, die vom Hersteller nicht mehr verkauft, gepflegt oder unterstützt wird. Der Begriff klingt harmlos, aber rechtlich bewegt er sich in einer Grauzone. Anders als Freeware oder Public Domain ist Abandonware nicht offiziell freigegeben, das heißt, es gibt keinen legalen Freibrief zum Download – wie immer erfolgt dieser auf eigenes Risiko. Zudem hegen nicht alle Hoster solcher Dateien gute Absichten und jubeln ihnen gerne auch Malware unter.

Wenn Sie diese Hürde gemeistert haben, steht mit der Suche nach BIOS-Dateien, dem Betriebssystem alter Computer- und Spielesysteme, das nächste Problem an. Diese sind im Eigentum der jeweiligen Firmen und nicht grundsätzlich freigegeben. Während einige Emulatoren das Betriebssystem emulieren, setzen andere auf Abbilder dieser ROM-Dateien, die nicht mitgeliefert werden. Sie müssen diese BIOS-Dateien also irgendwo herunterladen und in den jeweiligen Emulator einbinden. Die Wege sind je nach Plattform sehr unterschiedlich. Die BIOS-Files sind auch über die Suche nach „BIOS Pack Retroarch“, „RetroPie BIOS Collection“ oder auf den oben erwähnten Webseiten zu finden, welche auch die ROM-Images zum Download anbieten.
3. Fertige Linux-Distributionen für PC und andere Plattformen
Die beiden Frontends RetroArch und Emulation Station bilden die Grundlage vieler Linux-Distributionen, die auf Retro-Gaming spezialisiert sind. Sie sind für viele Plattformen wie PCs, Handhelds oder Kleincomputer verfügbar. Empfehlenswert sind hier hier Lakka, Recalbox oder Batocera, die als Images auch für PC-Systeme verfügbar sind und nach dem Download direkt vom USB-Stick gestartet werden können.
4. Raspberry Pi und andere Minicomputer als Retro-Gaming-Konsole
Da die alten 8- und 16-Bit-Systeme aus heutiger Sicht keine großen Anforderungen an die Hardware für eine Emulation stellen, ist es nicht überraschend, dass sich günstige Kleinstcomputer wie der Raspberry Pi als Mini-Spielekonsole anbieten. Für diesen Zweck sind verschiedene Linux-Distributionen verfügbar. Gegenüber dem PC hat der Raspi den Vorteil, dass er sich besser in das Gesamtgefüge „Wohnzimmer“ einfügt und sich wie eine klassische Spielekonsole am TV-Gerät anschließen lässt. Mit drahtlosen Controllern steht dem Couch-Gaming somit nichts mehr im Wege. Die zuvor genannten Systeme Recalbox und Batocera laufen daher auch auf einem Raspberry Pi. Sie müssen lediglich die Image-Datei von der jeweiligen Webseite für Ihren Raspi herunterladen und mit Tools wie Etcher oder dem Raspberry Pi Imager als „Other OS“ auf eine SD-Karte flashen. Damit startet der Raspberry Pi direkt das Retro-Gaming-Betriebssystem.
Die bisher für den Raspi sehr beliebte Distribution RetroPie wird seit längerer Zeit nicht mehr gepflegt, so dass wir zu den oben genannten Systemen raten.
5. Retro-Gaming im Browser
Wenn Sie nur im Bereich Retro-Gaming stöbern möchten, ohne sich mit Emulatoren, BIOS-Dateien und Images herumärgern zu wollen, empfehlen wir Ihnen einen Blick ins Internet Archive. Dort können Sie Tausende von Spielen auf allen bekannten Plattformen kostenlos direkt im Browser spielen. Eine Registrierung, der Download von Dateien oder deren Installation ist nicht notwendig. Das Internet Archive hortet als Zeitkapsel nicht nur alte Webseiten, Musik, Videos und Bilddateien, sondern auch Millionen von Programmen und vor allem Spiele. Für den Commodore Amiga listet das Archiv beispielsweise verschiedene Bibliotheken mit Tausenden der besten Amiga-Spiele.

Klicken Sie auf einen der Einträge und es startet im Browser der passende Emulator und dann auch das Spiel. Das Internet Archive führt auch für den C64, den Apple II oder sogar MS-DOS-Spiele eine stattliche Liste von Titeln, die direkt im Browser gespielt werden können. Für dauerhaften Spielspaß fehlen jedoch Möglichkeiten, Spielstände zu sichern. Mehr als ein wenig Stöbern und kurzes Retro-Gaming im Browser ist daher nicht möglich.
6. Fazit
Die alten Klassiker sind viel zu schade, um in Vergessenheit zu geraten. Auch wenn die Pixelgrafik und die fehlende Spieltiefe jüngeren Gamern Tränen in die Augen treiben, können Väter beim Retro-Gaming in Erinnerungen schwelgen und die eine oder andere Spiele-Perle nachholen, die ihnen damals vielleicht entgangen ist. Auf YouTube findet man zahlreiche Videos wie „die 100 besten Spiele für den C64“, „Die 15 besten Games für das Sega Mega Drive“, „Die 15 besten Games für den Commodore Amiga“ oder „Top 100 SNES Games of All Time“.
Viel Spaß beim Zocken!






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